Zeitungs­artikel zur Erfinder­beratung (Strau­binger Tagblatt)

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Patentanwalt Andreas Schneider ist spezialisiert auf Patent- und Markenrecht. Bei der IHK Regensburg bietet er eine kostenlose Erstberatung für private Erfinder an. Mit der Beratung soll die Hemmschwelle überwunden werden, die viele Privatpersonen daran hindert, endlich die entscheidenden Schritte mit ihrer Erfindung zu machen. (Foto: Schneider)

„Meine Frau hat mich geschickt“ – Auf ein Wirtschafts-Wort mit Patentanwalt Andreas Schneider über Fingerspitzengefühl.

Knochentrockene Materie – so könnte das Urteil über die Tätigkeit von Andreas Schneider als Patentanwalt lauten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der 40-Jährige mit eigener Kanzlei in Neumarkt in der Oberpfalz übt seinen Beruf seit 15 Jahren mit Leib und Seele aus, um Erfindungen zu ihrem Schutz zu verhelfen. Dabei zählen nicht nur Unternehmen zu seinen Klienten, sondern auch private Erfinder. Gerade für diese zweite Gruppe bietet Schneider – neben seiner normalen Kanzleitätigkeit– regelmäßig eine kostenlose Erstberatung für Erfinder bei der Industrie- und Handelskammer in Regensburg an. Mit unserer Zeitung hat der Patentanwalt darüber gesprochen, wie viel Fingerspitzengefühl dabei nötig ist, warum er bei solchen Erstberatungen schon mal seine Krawatte ablegt und warum es für einen Erfinder manchmal besser ist, der eigenen Ehefrau nichts von einer neuen Idee zu erzählen.

 

Herr Schneider, in Filmen wird die Figur des Erfinders immer wieder mal als kauziger Mensch, Typ „zerstreuter Professor“, dargestellt. Wie sieht der typische Erfinder aus, der in Ihre Beratung kommt?

Andreas Schneider: Den typischen Erfinder gibt es in meinen Augen nicht. Manchmal sind es Ingenieure im Ruhestand, die nach der aktiven Karriere noch weitertüfteln, oftmals Arbeiter oder Angestellte, manchmal Existenzgründer. Die Erfinder, die in die Beratung kommen, sind vor allem bodenständige, einfache Leute.

Ihre Beratung richtet sich also hauptsächlich an Privatpersonen?

Schneider: So ist es. Mit der Erfindererstberatung soll die Hemmschwelle überwunden werden, die viele Privatpersonen daran hindert, endlich die entscheidenden Schritte mit ihrer Erfindung zu machen. Die Beratungen in der Industrie- und Handelskammer Regensburg finden monatlich statt. Pro Termin kommen im Durchschnitt fünf bis sechs Interessenten. In der Landesgewerbeanstalt Nürnberg wird diese Beratung sogar wöchentlich angeboten, so hoch ist der Bedarf.

Von welcher Qualität sind die Erfindungen, die Ihnen präsentiert werden?

Schneider: Private Erfinder kommen häufig mit Ideen, die die Lösung für ein Alltagsproblem darstellen. Da sind oft sehr pfiffige Ideen dabei, mitunter aber auch Sachen, die gar nicht funktionieren können. In solchen Fällen muss ich die Menschen dann erstmal auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

Wie viel Fingerspitzengefühl ist hierbei notwendig, um das Erfinderherz nicht zu kränken oder gar zu brechen?

Schneider: Sehr viel, denn ich muss den Erfindern das Gefühl geben, dass sie mit mir von Mensch zu Mensch reden können und nicht von Bittsteller zu Anwalt. Um hier die Distanz zu verkürzen, hilft es manchmal schon, wenn ich die Krawatte ablege und dem Gespräch damit einen weniger formellen Anstrich verleihe. Für einen Patentanwalt ist es auch wichtig, den Ratsuchenden einfach zuzuhören und jede Idee ernst zu nehmen, sei sie auf den ersten Blick auch noch so abwegig. Denn manchmal findet sich sogar in einer solchen Idee noch ein brauchbarer Ansatz. Aber ich muss den Erfindern auch reinen Wein einschenken und die Punkte ansprechen, an denen das Ganze noch hakt, denn die Leute sollen mit ihrer Erfindung letztendlich Geld verdienen können. Die gute Idee allein reicht eben nicht.

Woran scheitern die meisten Erfinder denn bei der Realisierung ihrer Idee?

Schneider: Private Erfinder scheitern oft an der Vermarktung und Finanzierung ihrer Erfindung. Das heißt, sie finden kein Unternehmen, das ihre Idee aufgreift und umsetzt. Das ist schade, denn dadurch bleiben viele gute Ideen ungenutzt. Beim Deutschen Patent- und Markenamt in Deutschland werden jährlich mehr als 75000 Patente und Gebrauchsmuster, 75000 Marken und 45000 Designs zur Anmeldung eingereicht. Betrachtet man die Gesamtzahl der Patentanmeldungen, so führt dabei nur jede fünfte Anmeldung zu einem erteilten Patent. Man schätzt, dass nur jedes zehnte Patent später erfolgreich vermarktet wird.

Warum ist das so?

Schneider: Weil den Unternehmen oftmals das Risiko zu hoch ist. Man muss sich das so vorstellen: Eine Privatperson erfindet ein Produkt und will das nach der Patentanmeldung auf den Markt bringen. Der Erfinder ist dazu aber selbst nicht in der Lage aufgrund fehlender Geldmittel und Produktionsanlagen. Er wendet sich daher an ein Unternehmen. Passt das Produkt aber nicht in dessen Produktpalette oder entspricht es nicht der Unternehmensstrategie, ist vielen Firmen der Aufwand zu groß – ebenso wie die Angst, letztlich keinen Gewinn mit dem Produkt zu machen. Die Erteilung eines Patents bedeutet nicht automatisch: Jetzt läuft’s.

Wie läuft Ihre Beratung ab beziehungsweise wie muss man sich das Prozedere einer Patent-Erteilung vorstellen?

Schneider: Als Erstes bespreche ich mit dem Erfinder, ob es sich lohnt, die Idee weiterzuverfolgen. Dann rate ich zunächst, in den Online-Patentdatenbanken zu recherchieren, ob die Erfindung wirklich weltweit neu ist. Sollte das der Fall sein, kommt eine Anmeldung zum Patent infrage. Jedoch lege ich Wert darauf, dass die Erfinder sich schon vorher Gedanken über Finanzierung und Vermarktung machen. Ist das alles abgeklärt, erfolgt die Anmeldung zum Patent. Das Patentamt prüft, ob die Erfindung neu und erfinderisch ist. Wenn das der Fall ist, wird das Patent erteilt und ist somit für maximal 20 Jahre geschützt.

Was passiert nach Ablauf dieser Frist? Ist eine Verlängerung möglich?

Schneider: Nein. Nach dem Ende der 20 Jahre ist das Patent frei. Das heißt, jeder darf das Patent nutzen. Zudem muss man wissen, dass der Schutz des eigenen Patents für den Erfinder nur in den ersten beiden Jahren kostenlos ist. Ab dem dritten Jahr ist eine jährliche Gebühr fällig, die von Jahr zu Jahr ansteigt. Das beginnt für das dritte Schutzjahr aktuell mit 70 Euro und endet im 20. Jahr mit 1940 Euro. Wenn der Patentinhaber will, kann er das Patent aber auch vor Ablauf der 20 Jahre fallen lassen.

Das hört sich alles nach einer komplizierten Angelegenheit an. Schreckt das nicht viele Erfinder von vornherein ab?

Schneider: Das Patent- und Markenrecht ist in der Tat sehr komplex und für den Laien zum Teil schwer zu verstehen. Als technischer Anwalt versuche ich, das ganze Prozedere immer auf einfache Grundregeln zu reduzieren. Die wichtigste von ihnen lautet zum Beispiel: Erst anmelden, dann veröffentlichen.

Was meinen Sie damit?

Schneider: Eine Erfindung muss, bis ein Patentantrag beim Patentamt eingereicht wird, geheimbleiben. Sollte die Erfindung im Vorfeld schon einmal öffentlich gemacht worden sein, gilt sie in den Augen des Patentamts nicht mehr als neu und kann dann nicht mehr geschützt werden. Stellt ein Erfinder seine Idee zum Beispiel noch vor der Patentanmeldung auf einer Messe aus, dann war’s das. Viele Erfinder wissen das nicht.

Sollte ein verheirateter Erfinder dann am besten seine Idee auch vor seiner Frau geheimhalten?

Schneider: Das kommt darauf an: Sollte die Frau beim Kaffeeklatsch von der tollen Erfindung ihres Mannes erzählen und das kommt später raus, kann sogar ein bereits erteiltes Patent widerrufen werden. Ich erlebe bei meiner Beratung aber auch immer wieder das andere Extrem.

Und das wäre?

Schneider: Manchmal sitzen Erfinder vor mir, die so große Angst davor haben, jemand könnte ihnen ihre Idee wegnehmen, dass sie nicht mal mir von ihrer Erfindung erzählen wollen. Vor einer Beratung muss ich dann erst einmal Überzeugungsarbeit leisten und den Leuten klarmachen, dass ich als Patentanwalt der Schweigepflicht unterliege.

Sie sprechen bislang hauptsächlich von männlichen Erfindern. Kommen denn gar keine Frauen in Ihre Beratung?

Schneider: Doch, aber deren Anteil liegt nur bei 20 bis 30 Prozent. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass Männer den Besuch bei mir mit der Aussage begründen: „Meine Frau hat mich geschickt.“ Erfinder gehen oft lange mit ihrer Idee schwanger. Manche entwickeln dann eine regelrechte Besessenheit. Vereinzelt wird das der Ehefrau offenbar irgendwann zu bunt. Meist können wir dann aber alle Fragen in einem halbstündigen Gespräch klären.

Sie sind seit 15 Jahren im Geschäft. Können beziehungsweise dürfen Sie von kuriosen Fällen erzählen?

Schneider: Nein, das darf und möchte ich nicht. Das hat erstens mit meiner Schweigepflicht als Anwalt zutun. Zweitens würde ich meine Vertrauenswürdigkeit aufs Spiel setzen, wenn ich aus dem Nähkästchen plaudere. So viel darf ich aber verraten: Oft handelt es sich bei den kuriosen Fällen um die vermeintliche Erfindung des Perpetuum mobile, also einer Maschine, die mehr Energie erzeugt als verbraucht. Gerade in letzter Zeit häufen sich im Zuge der Energiewende solche Ideen, die als die Lösung aller Energieprobleme gedacht sind.

 

Interview: Valerie Tielich

Straubinger Tagblatt, 06.03.2012